Notfall
„…nur noch in Fällen dringender Not“ wollte Paul
Hindemith zu seinem eigentlichen Instrument,
der Geige, zurückkehren – so sehr hat es ihm die
Bratsche angetan. Und da ist es nicht
verwunderlich, dass der begabte Musiker das bis
dahin schmale Repertoire für sein favorisiertes
Instrument durch etliche anspruchsvolle Werke
erweiterte. Christian Euler hat jetzt zwei Solound,
gemeinsam mit Pianist Paul Rivinius, zwei
Duosonaten neu eingespielt, die damit erstmals
in 3D-Qualität auf Super Audio CD zu erleben
sind.
Trauerfall
Hindemith muss ein ziemlich versierter Bratscher
gewesen sein. Die technischen Höchstschwierigkeiten
seiner Sonaten meistert
Christian Euler natürlich mit Bravour – und was
der erfahrene Virtuose und Pädagoge aus den
sehr unterschiedlichen Werken herausholt, ist
absolut hörenswert! Da gibt es impressionistische
Anklänge in op. 11 Nr. 4, das unter dem
Eindruck des Todes von Claude Debussy
entstanden ist und mit raffinierten thematischen
Verschränkungen zwischen den drei Sätzen
aufwartet; andererseits verzichtet Hindemith
auch nicht auf schroffe Grobheiten und wird
damit seinem frühen Ruf als „Bürgerschreck“
durchaus gerecht.
Anfall
Berühmt geworden ist die Spielanweisung in der
Solosonate op. 25 Nr. 1: „Rasendes Zeitmaß.
Wild. Tonschönheit ist Nebensache“. Dass das
aufwühlende Stück deswegen keineswegs
hässlich sein muss, ist bei Christian Euler
eindrucksvoll zu erleben, und auch, dass die
eigentümliche Melancholie der anderen Sätze
völlig zu Unrecht meist im Schatten dieses
kurzen, aber desto wilderen Ausbruchs stehen.
Beifall
Für die Duosonaten steht Christian Euler mit
Paul Rivinius der perfekte Kammermusikpartner
zur Seite, der dem Steinway-Konzertflügel
„Manfred Bürki“ ebenso opulente wie
klangsinnige Töne entlocken kann. Schon für das
Britische Recital mit Werken von Bax, Bliss und
Vaughan Williams ernteten beide Solisten viel
Applaus – und liefern mit ihrer Hindemith-Lesung
eine willkommene wie hörenswerte Fortsetzung.