frisch
Wieder einmal wartet das Berolina Ensemble mit einer faustdicken Überraschung auf: Das Klarinettenquintett plus die Sonate für Klavier und Klarinette aus der Feder von Hans Weisse erklingen auf dieser Super Audio CD womöglich zum ersten Mal – jedenfalls legen das die Notenmanuskripte nahe, die von den entdeckungsfreudigen Musikern um Klarinettistin Friederike Roth erst in einen spielbaren Zustand versetzt werden mussten. Die Arbeit hat sich gelohnt: Süffige Spätromantik trifft auf ambitionierte Tonalität – das ist Musik von ganz eigentümlichem Reiz.
begehrt
Über den Komponisten selbst ist kaum etwas bekannt. Als Sohn eines Schauspielers in Wien geboren, war er Schüler von Heinrich Schenker, dessen radikaler musik-theoretischer Ansatz vor allem in den USA zahlreiche Anhänger fand. Weisse selbst folgte 1930 einem Ruf nach New York, wo er 1940 im Alter von erst 48 Jahren auf mysteriöse Weise ums Leben kam. Komponiert hat Weisse vorzugsweise in den Wiener Jahren, bevor er von Wilhelm Furtwängler zum Unterrichten des Schenkerschen Tonsatzes nach Berlin gerufen wurde.
begeisternd
Furtwängler hatte Weisses Oktett gehört – und war begeistert. Warum trotz prominenter Fürsprache dennoch kaum etwas von Weisses Werken aufgeführt wurde, bleibt im Dunkeln. Vielleicht stand der Komponist sich auch selbst im Weg: Das Noten- material zur Klarinettensonate ist ziemlich unübersichtlich; offensichtlich hat Weisse mehrfach die Reihenfolge der drei Sätze geändert. Ob noch ein vierter geplant war?
glutvoll
Der Gegensatz zu Weisses strengem musik-theoretischen Scharfsinn ist jedenfalls augenfällig. Selbst seinem peniblen Lehrmeister Schenker schien manches Stück zu intellektuell. Davon kann bei der Wiedergabe des Berolina Ensemble überhaupt nicht die Rede sein: Das glüht und vibriert vor Intensität, die immer noch tonalen Harmonien sind bis zum Zerreißen gespannt, und in der dreidimensionalen Wiedergabe dieser hochauflösenden Super Audio CD ist diese lohnenswerte Neuentdeckung auch klanglich ein wollüstiges Vergnügen.