Konnektion
Der Weltenbummler in Sachen zeitgenössischer Musik, Steffen Schleiermacher, hat wieder einmal Erstaunliches von seiner Reise mitgebracht. „Calligraphy“ heißt sein neuestes Album, das sich mit japanischer Avantgardemusik zwischen 1960 und 2012 beschäftigt. Toshio Hosokawa, Toru Takemitsu, Joji Yuasa, Keijiri Satoh und Seiichi Inagaki repräsentieren japanische Kompositionskunst in einer großen Breite. Das zunehmende Interesse an der jahrtausende alten Musiktradition ihres Landes bildet dabei eine verbindende Klammer, so unterschiedlich die Werke ansonsten auch sind.
Kontrast
Das jüngste Stück in der Sammlung trägt den Bezug dann auch gleich im Titel: „Mai – uralte japanische Tanzmusik“ von Toshio Hosokawa bezieht sich auf das No-Theater, wo der Tanz des Hauptdarstellers von Flöte und zwei Trommeln begleitet, an dramaturgisch wichtigen Stellen aufgeführt wird. Die absolut eigenständige Komposition spielt mit den Kontrasten von Klang und Stille, Bewegung und Ruhe, wobei Naturlaute eine wesentliche Rolle spielen. Keijiri Satohs „Calligraphy“, dem der Titel des Recitals entlehnt ist, verwendet ähnliche Kontraste, allerdings viel feiner ziseliert, schwarz auf weiß, wie eine kunstvolle Buchhandschrift.
Konnotation
Natürlich sind mit der Rückbesinnung auf die eigene Kultur die europäischen Einflüsse nicht vollständig verschwunden. Joji Yuasas „Projection Esemplastic“ entstand 1962 und ist ein fernöstlicher Beitrag zur Fluxus-Bewegung. Hier wird der Interpret zum Mit- Schöpfer: Aus verschiedenen Möglichkeiten ist auszuwählen, eine Anleitung dazu ist bestenfalls kryptisch. Dafür ist aber die „Partitur“ sehr schön anzusehen: Grafische Figuren bestimmen das Bild; Linien, die vielleicht Beziehungen suggerieren, müssen vom Spieler mit Leben gefüllt werden, und die wenigen richtigen „Noten“ werfen mehr Fragen auf, als dass sie Anweisung geben…
Konzept
Mit solchen Stücken kennt Steffen Schleiermacher sich bestens aus. Bereits zum wiederholten Mal widmet sich der umtriebige Komponist und Pianist einem rein fernöstlichen Programm: Nach einer ersten CD mit japanischer Musik und einem Ausflug ins indonesische Inselreich ist „Calligraphy“ die dritte Folge der kleinen Reihe. Und wieder einmal gelingt ein äußerst hörenswertes Portrait einer Musiklandschaft, die hierzulande viel zu wenig Beachtung findet.